Anzeige

Hybrid aus Delta und Omikron "So etwas wie Deltakron gibt es nicht" – Experten uneins über Echtheit der Corona-Variante

Neue Corona-Variante Deltakron
Wissenschaftler aus Zypern wollen mit "Deltakron" eine neue Corona-Variante, eine Hybridform aus Delta und Omikron, entdeckt haben.
© Frank Hoermann / SVEN SIMON / Picture Alliance
Die einen glauben fest daran, den Nachweis einer neuen Corona-Variante erbracht zu haben. Die anderen bezweifeln die Echtheit der Hybridform Deltakron. Sie vermuten Verunreinigungen während der Analyse. Ein Überblick.

Es ist eine Geschichte, die an "Täglich grüßt das Murmeltier" erinnert. Denn schon wieder wollen Wissenschaftler eine neue Variante des Coronavirus gefunden haben – diesmal in einem Labor auf Zypern. Demnach soll es sich um eine Kombination der Sars-CoV-2-Varianten Delta und Omikron handeln, daher auch der (aktuelle) Name Deltakron. Die News machte am Wochenende schnell die Runde, beinahe genauso schnell kamen in der Wissenschaftswelt aber auch erste Zweifel an dem Fund auf. Deltakron, vermuten einige Experten, sei keine echte Variante, sondern ein Resultat von Kontamination im Labor.

Tatsächlich ist die Datenlage bislang dünn. Bekannt ist, dass die zypriotischen Wissenschaftler um Leontios Kostrikis, Professor für Biowissenschaft und Chef des Labors für Biotechnologie und Molekular-Virologie an der Universität Zypern, laut eigenen Angaben mittels Sequenzierung eine neue Variante entdeckt haben wollen. 

"Derzeit gibt es Omikron- und Delta-Koinfektionen, und wir haben diesen Stamm gefunden, der eine Kombination aus beiden ist", so Kostrikis im Interview mit dem Sender Sigma TV, das mehrere andere Medien aufgriffen. Die Rede ist von bisher 25 bekannten Fällen. Die entsprechenden Daten habe das Forscherteam am vergangenen Freitag an die internationale Wissenschaftsdatenbank "Gisaid" weitergeleitet. 

Expertin: "So etwas wie Deltakron gibt es nicht"

Das Viren mutieren, ist nicht neu. Doch in Bezug auf Deltakron reagiert gleich eine ganze Reihe Experten weltweit besonders skeptisch. "So etwas wie Deltakron gibt es nicht", schrieb beispielsweise Krutika Kuppalli von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Twitter-Post. Und: "Omikron und Delta haben keine Super-Variante gebildet." Wahrscheinlich handele es sich um ein Sequenzierungsartefakt, also Kontamination im Labor. Mit dieser Vermutung steht die Expertin nicht allein. Auch Tom Peacock, Virologe am britischen Imperial College, schlägt in einem Twitter-Thread in die gleiche Kerbe. Die zypriotischen Deltakron-Sequenzen scheinen "eindeutig eine Kontamination" zu sein, so Peacock. Und erklärt dies unter anderem damit, dass diese sich nicht in einem phylogenetischen Baum zusammenfassen ließen.

Einschätzungen, die Kostrikis nicht unkommentiert ließ. In einer E-Mail an Bloomberg vom Sonntag verteidigt er seine Einschätzung. Die genannten Fälle, wiesen nicht auf ein einzelnes Rekombinationsereignis hin. Zudem seien die Proben in mehreren Sequenzierungsverfahren in mehr als einem Land bearbeitet worden. Und: mindestens eine Sequenz, die aus Israel stamme und bei Gisead hinterlegt sei, weise genetische Merkmale von Deltakron auf. "Diese Ergebnisse widerlegen die undokumentierten Behauptungen, dass Deltakron auf einen technischen Fehler zurückzuführen ist", zitiert Bloomberg den Wissenschaftler. 

Hybrid-Varianten sind möglich

"Es ist noch nicht klar, ob es sich dabei um einen echten Sequenzierungsfehler oder um die Folge einer Kontamination handelt", ordnet Martin Michaelis, Professor für Molekularmedizin an der Universität in Kent, gegenüber dem "Mirror" ein. "Wenn verschiedene Viren aus unterschiedlichen SARS-CoV-2-Varianten auf denselben Geräten analysiert werden, kann man Sequenzen erhalten, die aussehen, als ob sie von einem neuen Virus stammen, aber in Wirklichkeit nur eine Mischung aus verschiedenen Viren sind", erklärt er. Weitere Untersuchungen seien notwendig.

Hybrid aus Delta und Omikron: "So etwas wie Deltakron gibt es nicht" – Experten uneins über Echtheit der Corona-Variante

Aber: Dass solche Hybridviren entstehen, ist durchaus möglich. "Coronaviren, einschließlich Sars-CoV-2, haben prinzipiell die Fähigkeit, ihr genetisches Material zu rekombinieren, wenn zwei Viren dieselbe Zelle infizieren", erläutert Michaelis. Je größer die gleichzeitige Verbreitung verschiedener Varianten, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Rekombinante entsteht. Obschon diese Möglichkeit bestehe, seien bisher aber keine größeren Ausbrüche mit solchen Varianten beobachtet worden, so Richard Neher, Experte für Virusvarianten von der Universität Basel zum "RND". "Diese Genome aus Zypern", schätzt auch er," sind vermutlich keine Rekombinanten."

Quellen: Cyprus Mail, Bloomberg 1, Bloomberg 2, Mirror, RND

VG-Wort Pixel